Donnerstag, 21. Oktober 2010

…idyllische Märkte, kleine Abenteuer und allerlei Festlichkeiten

... wanakkam, hier sind wir wieder=)
Nachdem wir mittlerweile wieder ein paar Tage außerhalb des Bettes verbracht haben (davor: Grippaler Infekt..) dachten wir, es wäre Zeit sich mal bei euch zu melden… denn weiterhin vergeht die Zeit im Abhaya wie im Flug und es gibt auch, wenn oberflächlich betrachtet nicht so viel passiert, immer viel zu berichten.
Im Moment fahren wir zum Beispiel mindestens einmal wöchentlich in die Stadt und sind langsam routinierter im über-die-Straße-gehen und Bus fahren. Trotzdem befinden wir uns immer wieder in Situationen, welche wir manchmal mit mehr Glück als Verstand meistern:
So muss man, um eine Straße zu überqueren meist eine Zeit lang auf dem Mittelstreifen zwischen fahrenden Autos und Motorräden warten, bis sich in dem reißenden Strom eine Lücke auftut, durch die man auf die andere Straßenseite hetzen kann. Wir taten genau dies, als ein Motorradfahrer genau auf Katja zusteuerte – und es sich dann im allerletzten Moment doch anders überlegte und ihr auswich. Oder die Situation, als wir bei Coimbatores größter Bushaltestelle nach einem -bestimmten- Bus suchten. Immer wieder schlüpften wir zwischen fahrenden Bussen hindurch, fragten zahnlose Greise und junge Kerle um Rat, wurden oft von einer zur anderen Seite und wieder zurück geschickt (weil auch die Inder nicht immer einen Plan haben), nur um dann auf den letzten Drücker in einen fahrenden Bus zu springen, blind einem Menschen vertrauend, der nicht mehr als ein “der da” und einen Fingerzeig zustande brachte und hoffend, dass dieser Bus uns nicht in ein völlig unbekanntes Viertel fahren würde. Wir hatten Glück, er fuhr nach Kanuvai, “unserer” Bushaltestelle.
Solche kleinen ‘Abenteuer’ stehen natürlich nicht unter täglichen Aktivitäten, allerdings stoßen wir oft in anderer Hinsicht an unsere Grenzen, da das indische ‘System’ für uns manchmal immer noch etwas befremdlich ist. So nehme man Menschen, die es gewohnt sind, Dinge die sie brauchen, dort zu bekommen, wo sie sie vermuten und schicke sie beispielsweise auf die – relativ – unbedeutende Suche nach AIRMAIL-Briefumschlägen. Kreuz und quer, von einer Poststelle zur anderen wird man da durch die Hitze geschickt, nur um doch immer wieder ohne Briefumschläge auf der Straße zu stehen. Da fällt es dann schon manchmal schwer, den Begleitern mit schiefem Lächeln zu versichern, dass es kein Problem sei und Indien eben so wäre. (Meistens war der Ärger allerdings nach ein paar Minuten verflogen und wir fanden es doch wieder lustig.)
Mittlerweile kommentieren wir auch jeden Stromausfall mit einem trockenen:”Ach ja, mal wieder kein Strom…” und wenn uns zahlreiche Inderinnen jedes Alters die Ellbogen beim Einsteigen in den Bus in die Seite rammen, sehen wir das auch eher gelassen. Die Inder kultivieren das Drängeln eben bis ins hohe Alter ;-)Trotzdem sind wir doch immer wieder von diesem Land und seinen freundlichen, herzlichen Einwohnern überrascht und begeistert. Mit Freude verlassen wir hin und wieder uns bekannte Plätze und Wege, um vorsichtig und gleichzeitig überschwänglich in das bunte Treiben einzutauchen.So entdeckten wir bei unserer letzten Shoppingtour zum Big Bazaar einen klassischen Markt. Unter bunten Planen hatten die Händler Gemüse auf dem Boden ausgebreitet und in zahlreichen Säcken konnte man Kiloweise Nudeln, Reis, Kartoffeln, getrocknete Chili und Gewürze bestaunen (und alles soo billig! 250gr Nudeln für 10 Rupees – das sind so ungefähr 16 cent). Ein bisschen fühlten wir uns an Marco Polo erinnert, er muss ähnlich begeistert gewesen sein, als er die indischen Märkte zum ersten Mal entdeckte.
Leider konnten wir nicht ewig durch die engen Gassen und versteckten Wege strolchen, denn schon bald rief der Alltag nach uns und wir kehrten voll beladen zum Abhaya zurück, um dort Englisch zu unterrichten und die Deepavali stage performance vorzubereiten, die zu unserer Freude schon ziemlich gut vorangeschritten ist. (was wir geplant haben, ist eine Überraschung, Anfang November stellen wir ein Video davon online – versprochen :-)) Unsere gemeinsamen Vorbereitungen stellen immer einen Kontrast zu all den Schularbeiten und Hausaufgaben dar, sodass sich die Kinder jeden Tag darauf freuen und mit Begeisterung mitarbeiten.
Letzte Woche gab es jedoch noch etwas anderes, das es sich zu berichten lohnt: die Audyapooja – Function, die NMCT am Freitag (15.10.) mit den Abhaya Children feierte. Erst kam die übliche Pooja – vom Gesang der Kinder begleitet – und dann kam das Fest. Hierzu war schon einiges vorbereitet worden:
Unter jedem Fahrzeugreifen lag eine Limette und sämtliche Gebrauchsgegenstände waren mit bunten Pasten gesegnet worden. Audyapooja ist nämlich das Fest der Gegenstände und Verkehrsmittel. Die Gegenstände (Türen, Schränke, Spiegel – aber auch Telefone, Computer, Tafeln, Drucker, Kühlschränke) werden gesegnet, damit sie funktionieren und von ihnen ‘nichts Böses kommt’ (wörtlich übersetzt nach dem, was man uns erzählte). Die Verkehrsmittel werden mit Blumen – oder Plastikgirlanden geschmückt und penibelst geputzt, um dann bei der Function mit Pasten beschmiert und besprenkelt zu werden. Auch wir brachten unsere Fahrräder auf Hochglanz, nur um hinterher leicht belustigt/enttäuscht festzustellen, dass sie schon wieder ‘dreckig’ waren. Der eigentliche Höhepunkt der Function war aber auf jeden Fall das traditionelle Fahren über eine Limette. Hierzu stiegen die Inder in ihre Busse/Jeeps/Autos oder auf ihre Motorräder (und wir auf unsere Fahrräder) und ließen ihre Motoren aufheulen (an dieser Stelle kam von uns nur ein leises Stöhnen, die Bremsen unserer Fortbewegungsmittel sind nämlich kaputt und die Reifen platt...), um schließlich behutsam die Limette zu zerquetschen (in unserem Fall mussten die Inder nachhelfen… denn zum wiederholten Mal: die Reifen sind platt.). Danach war das Gefährt gesegnet und es gab (wieder mal viel zu viele) Snacks für alle. Mit vollem Bauch fielen die Kinder und wir an diesem Abend ins Bett.



Am Tag danach besuchten wir mit den Kinder einen Tempel in den Ghats vor Coimbatore.
Alle gemeinsam nahmen wir einen public bus, der dann auch direkt vollgestopft war, und fuhren in Richtung Berge.
‘Beim’ Tempel angekommen (eigentlich mussten wir noch ca 2 Kilometer laufen), fanden wir uns erstmal in der typischen Touristenzohne wieder, durch die wohl jeder auf dem Weg zu einer heiligen Stätte muss – wir fanden das eher belustigend (haufenweise indischer Kitsch), die Kinder allerdings waren absolut begeistert und hätten am liebsten ALLES mitgenommen.
Einmal daran vorbei ging es dann weiter – gefühlte fünfhunderttausend Treppenstufen hinauf - zu dem mitten in der Natur gelegenen Tempel. Einige Kinder empfanden den Weg als eine Art Spiel, so rannten und tobten sie die meiste Zeit bis zu unserem Ziel. Die anderen Kinder sahen das ganze eher als etwas, woran man eben vorbei muss, um dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten.. und fingen auch direkt nach ein paar Stufen an, eifrig von Muskelschmerzen und schwindender Lust zu klagen.
Trotzdem: irgendwann kamen wir natürlich oben an und wurden dann auch mit einer wunderbaren Sicht auf das in einem Tal vor uns liegende Coimbatore belohnt. Mehr als diese Sicht und natürlich den Tempel von außen hatten wir aber auch nicht davon, denn wir ließen die Kinder alleine in den Innenraum gehen, da wir uns mit dem Gedanken, diese Stätte nicht angebracht wertschätzen zu können, nicht ganz wohl fühlten.
In der Abenddämmerung ging es dann die mittlerweile nur noch ca 200 Treppenstufen wieder runter und dann mit dem Bus wieder zurück zum Abhaya, wobei einige Kinder das unglaubliche Talent bewiesen, sogar in einem public bus schlafen zu können (Absolut faszinierend für uns!).
Ein weiteres Erlebnis war der Besuch eines Heims für AIDS-kranke Kinder anlässlich eines Kindergeburtstages.
Für uns begann dieser Besuch schon auf der Hinfahrt mit schockierenden Fakten, als Sankar uns erzählte, dass diese Kinder maximal 20-22 Jahre alt werden würden - und das trotz guter medizinischer Versorgung. Der Gedanke, dass diese Kinder maximal zwei Jahre älter werden würden, als wir jetzt sind, ging uns schon ziemlich nah.
Viele verschiedene Gedanken schossen uns an diesem Nachmittag durch den Kopf, einer der jedoch besonders energisch zu haften schien, war, dass wir vor unserer Reise nach Indien gelernt hatten, dass HIV/AIDS noch immer mit vielen Vorurteilen behaftet ist und Menschen mit dieser Krankheit mitunter wie Aussätzige behandelt werden. Als wir nun vor diesem Heim standen, welches sich mitten im Nirgendwo zwischen Wiesen und Bäumen befand, empfanden wir die Ruhe und Abgeschiedenheit inmitten des indischen Trubels das erste Mal als etwas wirklich Bedrückendes.Das Heim an sich war eine sehr schöne Einrichtung und wir hatten den Eindruck, dass sich die Menschen hier sehr liebevoll und gut um die Kinder kümmern.
Auch kamen uns (wie wir es ja generell von Indern gewöhnt sind) alle Kinder mit strahlenden Gesichtern entgegen, was diese Begegnungen für uns gleichzeitig leichter und schwerer machte.
Auf jedenfall merkten wir, dass diese Kinder, trotz unglaublich schwerer Vergangenheit und (aus der Sichtweise, die uns bis jetzt vertraut war) ohne wirkliche Hoffnung auf eine große Zukunft in jedem Moment eben genau diese Hoffnung verkörpern und es auf unglaubliche Weise schaffen, ihr Leben wie jedes andere Kind genießen zu können.
Gerade diese Erfahrung veränderte unsere Sichtweise in großen Stücken und half uns, die Berührungsangst vor dieser großen, gesichtslosen Krankheit zu verlieren.
Insgesamt kann man sagen, dass dies ein Tag war, der für uns nicht leicht in Worte zu fassen ist… und doch ein Erlebnis, was uns wohl lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bis zum nächstenmal verbleiben wir mit diesen Worten. Der nächste Eintrag wird sicherlich fröhlicher enden, denn dann haben wir den midterm-workshop im KKID und damit ein Wiedersehen mit den anderen Volunteers und unseren Mentoren aus Deutschland hinter uns, auf das wir uns jetzt schon sehr freuen.
Außerdem haben wir ja versprochen ein Video von der stage performance der Kinder bei der Deepavali Function hochzuladen.. also gibt es wieder Einiges, worauf man sich freuen kann :-) (und außerdem wollen wir un-be-dingt ein Foto von den wilden Elefanten machen, die nachts durch unseren Bezirk streifen – meistens verschlafen wir den richtigen Moment jedoch einfach :S)

1 Kommentar:

  1. Choclet und Cake exploring India, WUNDERBAR!! Ihr schafft es immer wieder, zu unterhalten und gleichzeitig ausgewogen zu informieren. Ihr fragt immer genügend nach, damit ihr Zusammenhänge versteht und weiter geben könnt. Ihr zeigt die Zuneigung, die ihr zu den Menschen entwickletr habt!
    Super!

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