Montag, 20. Dezember 2010

Kurzurlaub mit heimischen Gefühlen

Nachdem ihr nun auf den letzten Blogeintrag ziemlich lange warten musstet, folgt der nächste dafür direkt auf dem Fuße... - diesmal geht es aber „einfach nur“ um unseren Kurztrip nach Pondicherry, Mamallapuram und Chennai.

Unsere erste komplett selbstgeplante Reise begannen wir mit ein paar Dosas und ziemlich viel Aufregung. So standen wir, die Bustickets in der Hand und inklusive Gepäck, am Ausgang des Abhaya und schlangen hastig die Dosas hinunter, die einige Kinder und Viji (die Erzieherin) in Hektik für uns gemacht hatten, und... warteten auf den Taxifahrer. Der nicht kam.
Da standen wir also, wussten nicht weiter und konnten kaum mehr tun, als abwarten und Tee trinken (im warsten Sinne des Wortes). Tatendurstig wie wir waren, telefonierten wir trotzdem ein wenig herum – irgendjemand musste ja wissen, warum niemand kam.
Eine halbe Stunde und ein paar verlorene Nerven später holte uns der Taxifahrer dann doch noch ab – kommentarlos.
Gottseidank hatten wir reichlich Zeit eingeplant und kamen dann schlussendlich pünktlich beim Busbahnhof an, wo ein wunderbar bequemer ‚Non A/C Semi – Sleeper’ Bus auf uns wartete (warum alle immer so verrückt nach Klimaanlage sind, ist uns schleierhaft - wir genießen die Wärme weiterhin ;-)).
(Schlafenderweise) Schlafend ging es dann in Richtung Pondicherry, wo wir am frühen Morgen ankamen und sogleich Bekanntschaft mit dem Wahnsinn der Pondi-Rikshafahrer machen durften: um zum Apartment unserer beider Mitvolunteers Claudi und Anna zu gelangen, fuhr er – um abzukürzen – die Hauptverkehrsstraße (eine Einbahnstraße) einfach mal verkehrtherum, was uns beim Anblick entgegenkommender Busse nicht ganz so recht war (Zitat Katja: „Do you want to kill us?!?“). Sämtlichen 3,6 Mio. Indischen Göttern sei dank kamen wir ein wenig müde dreinblickend, um halb acht Uhr morgens vor Annas und Claudis Tür an. Die folgenden Tage in Pondicherry waren jedoch großartig und eine tolle Erholung:

Tag Nr. 1 begann für uns mit einem Frühstück gegen halb elf (- was eine absolut seltene Rarität für uns darstellte!) und langen Gesprächen. Am frühen Nachmittag bekamen wir schließlich dem ersten Einblick in das Leben einer (wie die Inder wohl sagen würden) 50/50 Stadt (der Name stammt von den allerseits geschätzten 50/50 biscuits... die hier andauernd für irgendwelche Vergleiche herbeigezogen werden).
Pondicherry ist eine ehemalige französische Kolonie und macht das auch allen deutlich: die eine Hälfte ist 100% indisch, die andere Hälfte so französisch wie es in Indien nur geht und beide sind getrennt durch einen Kanal.
Ungläubig spazierten wir von Indien nach Frankreich und wieder zurück, liefen durch vollgestopfte Gassen, die von kleinen Läden gesäumt wurden und schlenderten durch bezaubernde Alleen; mit Löchern gespickte Teerstraßen wichen Kopfsteinpflaster und Bürgersteig...
- Es war unglaublich.
(->hier ist der Beweis: links - das franzoesische Viertel, rechts - das indische Viertel)

Plötzlich befanden wir uns in einem kleinen Europa, aßen gute Holzofenpizza und Salat, bestaunten alte Steinhäuser und fanden uns in mitten von hellhäutigen Menschen wieder („Hier sind ja lauter Weiße...!“). Und all das, wo doch fünfhundert Meter weiter, direkt hinterm Kanal das indische Leben in seiner bunten Vielfalt weiterging.
Den Tag verbummelten wir in verschiedenen niedlichen Geschäftchen, guten Restaurants und am Strand. Besonders in Erinnerung blieb uns auch die völlig versteckte Eisdiele, bei der man für Deutsche ungefährliches (klingt komisch, aber Eis zu essen kann tatsächlich ganz schön fies werden) Eis in allen Varianten bekommen konnte – herrlich.

Am nächsten Morgen (Tag 2) versuchten wir einigermaßen früh aus dem Bett zu kommen und waren dann auch ‚schon’ um halb elf in einem kleinen französischen Frühstückslokal in dem wir uns mit (Achtung...:) Omelette, Obstsalat, warmem Kakao, Baguette mit Butter und Marmelade und (unglaublich aber wahr) frischen Croissants die Bäuche vollschlugen – es war wundervoll, schlaraffenlandartig und absolut unindisch (denn es gab Süßes zum Frühstück). Auch diesen Tag verbrachten wir größtenteils mit Schaufensterbummeln unterbrochen von gemütlichen ‚Essenseinheiten’, die wir gelegentlich hier und da einbauten (wenn man schonmal die Chance hat europäisch zu essen...).
Für euch zuhause mag das vielleicht etwas merkwürdig klingen, aber probiert einfach mal aus, dreieinhalb Monate gar kein Brot zu essen - und kauft euch dann ein frisches Baguette.. ihr werdet verstehen, wovon wir reden. ;-)

Rückblickend haben wir uns wahnsinnig über die beiden Tage mit Claudi und Anna gefreut und es sehr genossen, ein bisschen ‚zuhause’ zu denken. Pondicherry ist wunderschön und eine kleine Schatzinsel für Europäer, die sich in Indien ein wenig nach der Heimat sehnen! (An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Claudi und Anna, ihr wart wunderbare Gastgeber und die Zeit war absolut großartig!)=) Fuer alle, die sich mehr fuer deren Projekt und Pondicherry interessieren: www.kks-real-10.blogspot.com )

Der dritte Tag begann – im absoluten Kontrast zu den vorangegangenen Tagen – um 6 Uhr morgens, da wir sehr früh den Bus nach Mamallapuram nehmen wollten, ein Ort der laut Lonely Planet ein Mischmasch aus Fischerdorf, Touristenghetto und Unseco-Weltkulturerbestätte sein soll.
Dies klang für uns ziemlich interessant und so wappneten wir uns mit Baguette, Eierweck, Croissant und Schokopralinen, um auf der unbequemen Fahrt im öffentlichen Bus (wieder ohne Klimaanlage, und mit den schmalsten Sitzen der Welt) zumindest nicht zu verhungern...
Zum Glück war die Landschaft so absolut exotisch und wunderschön, dass sie uns von sämtlichen Unbequemlichkeiten abzulenken vermochte: die allgegenwärtigen Palmen wechselten sich ab mit unbekannten Bäumen, Schlingpflanzen – und sogar Kakteen! Zwischendurch breiteten sich unter unseren Augen uferlose Lagunen aus, Flüsse, die durch den Monsoon über ihre Ufer getreten waren. Überhaupt waren die Auswirkungen des Monsoons überall sichtbar: Fundamente versanken im Wasser und ganze Dörfer waren nur noch über schmale Landstreifen zu erreichen. Trotzdem schienen die dort lebenden Menschen ihr Alltag wie gewohnt weiter zu führen.
Manchmal blitzte hinter Palmwäldern der indische Ozean auf und versetzte uns in Urlaubsstimmung, genau wie die salzige Brise, die ab und zu in den stickigen Bus wehte, desto näher wir Mamallapuram kamen. Dort angekommen ließ uns der Busfahrer unerwartet am Rande der staubigen Überlandsstraße aussteigen und da standen wir nun: zwei weiße Mädchen in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent, alleine, ohne Plan wo sie gerade genau sind, eine Situation, die in der letzten Zeit so häufig aufgetreten war, dass wir uns daran gewöhnen mussten. Ohne große Aufregung nahmen wir uns also eine Riksha in den Ortskern und übten uns im Kartenlesen (was nicht immer so gut klappt^^). Mamallapuram war das reinste Paradies: Hippieshops wechselten sich ab mit unendlich alten Tempeln, majestätischen Felsenlandschaften und schönen, leeren Stränden. Die Luft war erfüllt von dem Geklopfe der Steinmetze und den „Wanna see my shop?“-Rufen der Ladenbesitzer. Nachdem wir uns mit einigen deutschen Travellern unterhalten hatten, wählten wir uns eine einfache Budgetunterkunft und bezogen ein kleines Dachzimmer mit Mangobaum vorm Fenster.
Unsere erste Station war – natürlich – der Strand!
Minutenlang standen wir zwischen den bunten Holzbooten der Fischer, starrten auf die Wellen und versuchten zu begreifen, dass eigentlich gerade Dezember ist.
- was uns nicht wirklich gelang. Nachdem Katja eine Weile mit zwei winzig-wuseligen Hunden gespielt und Charlotte’s Klamotten vom Baden komplett durchnässt waren, machten wir uns auf den Weg zum „Shoretempel“, einer Unesco- Weltkulturerbestätte die man – im wahrsten Sinne des Wortes – hautnah erleben konnte.
Der kleine, aus einem roten Sandsteinfelsen gemeißelte Tempel erhob sich zwischen penibel gemähten Grasflächen und war deutlich von Zeit und Meer gezeichnet, sodass seine Flächen, die Figuren und Ornamente fast völlig glattgeschliffen waren. Im Gegensatz zu vielen bewegten wir uns ehrfurchtsvoll durch die engen Tempelgassen, bemüht nichts zu berühren, damit dieses Bauwerk doch noch etwas länger erhalten bliebe.
Nach einer Weile machten wir uns auf, um auch den anderen Sehenswürdigkeiten Mamallapurams einen Besuch abzustatten. Wir begegneten Steinelefanten, einem „Butter Ball“ (Mega-Steinkugel), noch mehr wundervollen Tempeln, rüpelhaften Touristen und niedlichen Äffchen... und widmeten uns am Abend gemütlichem Shopping und einer Pizza mit viiiiiel Käse. Sehr müde fielen wir darauf in unsere Betten, nur um am nächsten Morgen wieder sehr früh (wer hätt’s gedacht) aufzustehen, da wir noch vor der Mittagszeit in Chennai sein wollten.

(Zur Busreise nach Chennai ist nur zu sagen, dass wir das erste Mal ein uns nicht ganz geheueres Buserlebnis hatten, bei dem es (während der Fahrt!!) von außen an unser Fenster klopfte und ein junger Mann uns bat, dass wir unser Fenster aufmachten und er sich an unseren Sitzen festhalten dürfe (!)...- nochmal: von AUßEN!)

Chennai war dann.. laut, voll, regnerisch, westlich und irgendwie ein Tag den wir nicht mit Sehenswürdigkeiten verbringen wollten (erster Satz im Lonely Planet: „Auch die größten Meister im positiven Denken werden Probleme haben, in Chennai etwaszu finden, das wirklich zum Schwärmen Anlass gibt.“ – ähm ja..).
So schlimm war es dann aber auf keinen Fall, eigentlich gefiel uns die Stadt sogar ganz gut.. wir haben nur nicht viel von ihr gesehen.
Chennai begann für uns mit einem rieeesigen Busbahnhof und einer ‚Fehlentscheidung’ die mit Frostbeulen und einem Loch im Portemonnaie endete: der erste Bus, der in die richtige Richtung zu fahren schien sah nämlich ... „normal“aus (also „deutsch-normal“, denn „normal“ heißt für uns „deutsch“).Also. Und das alleine ist in Indien schonmal merkwürdig. In diesem Moment dachten wir aber nicht weiter über gepolsterte Sitze oder Fenster, die sich nicht öffnen ließen nach und stiegen ein.
Bewusst wurde uns der Fauxpas, als wir plötzlich das Gefühl bekamen in einem Kühlschrank zu sitzen und der Conductor dann auch noch den fast fünffachen Ticketpreis verlangte. Trotzdem auch hier wieder: wir sammeln eine Menge Erfahrungen.. und die eben in alle Richtungen.

Den Tag verbrachten wir dann in einem spanischen Tapasrestaurant in dem es wunderbares Essen, Servietten und Besteck gab (und Katja die einzige indisch gekleidete Person war), fuhren in ein paar Rikshas für ein bisschen pure indische Kultur zwischendurch und:
besuchten drei Shoppingmalls, die uns wirklich den Atem raubten.
Die Welt aus der wir kamen (also das Abhaya, Kanuvai, etc.) erschien uns plötzlich ganz fremd und unwirklich und wir schienen auf einmal nicht mehr „weiß“ zu sein. Alle Menschen verhielten sich wie wir, liefen fröhlich plaudernd von Shop zu Shop, saßen bei PizzaHut oder KFC, es war geputzt, ordentlich, strukturiert... eine Miniwelt in einer Welt und wir mittendrin.
In den ersten Minuten standen wir einfach nur da, trauten unseren Augen kaum und konnten uns nicht entscheiden, ob das jetzt Indiens Zukunft oder doch nur eine Idee, die Oberschicht und Unterschicht noch deutlicher trennen würde, war.
Als der erste Schock überwunden war (ja, der Kulturschock ist andersrum viel schlimmer... plötzlich in einem kleinen Deutschland in Indien zu stehen ist absolut merkwürdig!) konnten wir die Zeit dann aber doch noch genießen, taten es den anderen gleich und hatten am Ende des Tages ein paar nette Sachen erstanden.

Nun sind wir wieder ein paar Tage zuhause, haben uns erneut eingelebt und alles läuft glatt, trotzdem hängen uns diese widersprüchlichen Bilder der kulturschweren Stätten und dann dieser glitzernden Malls, schmutzigen Straßen und sauberen Alleen nach und es fällt schwer, klare Gedanken zu fassen. Auf jeden Fall wurde unsere Vorfreude auf die große Reise mitte Februar geweckt und wir können es kaum abwarten noch viel mehr von diesem unglaublichen Land zu entdecken.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

What the hell is SNOW ?!?

Ein warmes ‘Wanakkam’ an unsere Blogleser im kalten Deutschland!

Nie war uns die Heimat so fremd wie jetzt: Eingeschneit, vereist, kalt... dieses Wort assoziieren wir mittlerweile mit zitternden Frauen und Kindern, die sich bei 20°C Wollmützen über den Kopf ziehen oder sich dick in bunt gemusterte Filzjacken wickeln. Aber nicht nur sie – auch wir sagen mittlerweile bei Temperaturen unter 25°C, dass es „kalt“ sei. Heute war es wieder über 30°C, die Sonne hat gebrannt, aber das ist der indische „Winter“.
In diesem Eintrag soll es jedoch nicht nur ums Wetter gehen – es ist einfach auch so viel passiert, dass wir unbedingt mal wieder berichten müssen.. bevor dann in ein paar Tagen schon der nächste Eintrag über unseren Kurzurlaub nach Pondicherry und Chennai folgt :-P
Zunaechst gibt es da unseren zweiten Besuch beim TAI - Project über den wir berichten möchten und - diesmal war alles anders:
Wir wanderten durch enge, schmutzige Gassen, um zu einem kleinen Haus einer Transgender- „Familie“ zu gelangen. Diese erwartete uns auch schon vollzählig im schummrigen Wohnzimmer: Ein „Ehepaar“ (seit 20 Jahren verheiratet), eine „Großmutter“ und einige „Töchter“, die teilweise für ihren Essensstand kochten; es roch nach scharfem gebratenem Huhn und vielen Gewürzen.
Auch die Gespräche des Treffens schienen sich diesmal um völlig andere Dinge zu drehen, als bei unserem ersten field visit: Hatten wir beim ersten Mal eher das Gefühl, dass es den Menschen wirklich auf den kulturellen Austausch ankam, drehte es sich diesmal um finanzielle Probleme innerhalb der self help group (eine kleine Gruppe von TG’s bekam das Geld, gab es aber nicht an die restlichen weiter). Im Laufe des Besuches kam sogar die Frage auf, ob wir ihnen denn kein Geld geben könnten, wir wären schließlich reich. Etwas perplex versuchten wir, ihnen unsere Rolle in Indien darzulegen und dass wir eben nicht die „reichen Weißen“ seien, die Geld geben. Es war eine unangenehme Situation und daher verließen wir die Wohnung bald. Insgesamt war es für uns ein eher schwieriger field visit, aber trotzdem sind wir davon überzeugt, dass es wichtig ist, auch solche Erfahrungen zu machen.
Einige Tage später wurden wir spontan zu einer Veranstaltung eingeladen, die uns sehr positiv in Erinnerung bleiben sollte:
Frühmorgens (wie immer) standen wir auf, um einer Function der „make a wish Foundation“ beizuwohnen..
Die „make a wish Foundation“ ist eine Organisation, die Kindern mit uneheilbaren Krankheiten (wie Krebs oder HIV) einen Herzenswunsch erfüllt. Dazu gehen Freiwillige in Krankenhäuser und NGO’s um direkt mit den Kindern über ihre Wünsche zu sprechen (dabei kommt es nicht auf den Wunsch an: es kann eine kleine Puppe sein, oder auch der Traum einmal in einem Flugzeug zu fliegen).Diesen Wunsch zu erfahren, kann ein sehr langer Prozess sein, da es Zeit braucht einem Fremden anzuvertrauen, was einen wirklich glücklich macht. Haben die Kinder ihren Wunsch geäußert, werden Sponsoren gesucht und der Wunsch wird erfüllt
An diesem Tag sollten die Wünsche von dreizehn HIV-infizierten Kindern aus dem NMCT-Projekt erfüllt werden. Meistens handelte es sich bei den Wünschen um ein eigenes Fahrrad, ein Mädchen hatte sogar den Wunsch ihren Lieblingsfilmstar zu treffen.
Was wir dort erlebten war einfach großartig. Das gesamte Programm wurde von Schülern gestaltet, die auch die Spenden für die Wünsche gesammelt hatten.
Es gab Spiele, Tänze und die Atmosphäre war sehr herzlich. Man konnte spüren, dass die Schüler etwas Gutes tun wollten. Wir waren begeistert, gerührt und sehr beeindruckt von den Kindern: mit strahlenden Gesichter und leuchtenden Augen versrpühten sie eine Freude, die alle Anwesenden anzustecken schien..

Die Koordinatorin der Foundation sagte uns, dass die Lebensfreude der Kinder und ihr „glücklich sein“ in großen Stücken dazu beitragen könne, ihr Leben zu verlängern und als wir in dieser Veranstaltung saßen, waren wir uns hundertprozentig sicher, dass sie Recht hatte.
Und wieder einmal begegnete uns diese Krankheit in Gestalt von vor Lebensfreude sprühenden Kindern was uns deutlich machte, wie viel man eben doch tun kann, auch wenn die Situation auf den ersten Blick hoffnungslos erscheint. Es war ein großartiges Erlebnis.Abgesehen davon verschwammen die Tage zu einem bunten Mischmasch voller Alltäglichkeit, gespickt mit unvorhergesehenen Kleinigkeiten, wie beispielsweise kleinen Pannen oder Verspätungen auf dem Weg zu unserem täglichen Nähunterricht in der Stadt. Jeden morgen wagten wir seit drei Wochen das Unmögliche: mit den öffentlichen Bussen zur morgendlichen rushour in die Stadtmitte zu kommen (pünktlich...). Alle Inder scheinen sich in der Zeit um 9 Uhr morgens herum in die – ohnehin schon engen - Busse zu quetschen. Sämtliche Inder, die es sich leisten koennen vermeiden das Busfahren um diese Zeit. Wir wissen nun, warum: Manchmal sind die Busse so voll, dass man kaum atmen kann und sich fühlt, als bestände man aus von fremden Ellbogen zerquetschtem Gelee. Oder man sieht Szenen der Rücksichtslosigkeit die einen vor Empörung nach Luft schnappen lassen (aber auch der Hilfsbereitschaft). Wir selbst werden auch immer „durchsetzungsfähiger“- denn mit höflichem Anstehen kommt man nicht weiter – zumindest nicht zu einem Sitzplatz. Und bevor wir wieder einen Stehplatz neben der Tür erwischen und riskieren herauszufallen (bei Charlotte wars mal knapp und Katja wurde mehr oder weniger aus einem (Gottseidank stehenden) Bus gestoßen)), drängeln wir lieber ein bisschen – oder springen todesmutig in den fahrenden Bus.
So kommen wir relativ pünktlich in der Schule an, nur um noch auf unsere Nählehrerin zu warten. Wir nähen auf alten, handbetriebenen Maschinen, in denen man die Fäden erst durch zahllose Ösen ziehen muss, bevor man beginnen kann Taschentücher, Kissenbezüge oder entzückende Kleidchen zu nähen. Wir gehen einfach unglaublich gerne in diesen Unterricht und haben gemerkt, dass es uns gut, jeden Tag damit beginnen zu lassen.

Im Anschluss daran fahren wir in die Stadt, oder zu einem Projektbesuch. Diese Woche begleiteten wir an zwei Tagen Mitarbeiter des CHAHA-project (Children affected/infected by HIV/Aids – Health and Happiness for All) zu home visits.
Lang fuhren wir im stickigen Bus bis zu einem Vorort von Coimbatore, wo uns zwei Frauen erwarteten, die an diesem Tag die angeforderte Unterstützung bekommen sollten - was bedeutete, dass wir zusammen einkaufen gehen würden.
(NMCT hat es sich nämlich unter Anderem zur Aufgabe gemacht, Familien die von HIV betroffen sind durch materielle Dinge zu helfen).Wir trafen die Frauen (die kein Englisch sprachen) in einem für Meetings gedachten Raum und liefen dann in einen nahegelegenen Shop in dem man so ziemlich alles bekommen konnte was das Herz begehrt (10000 Sorten an Seife und Zahnpasta?!). Dort durften sich beide verschiedene Dinge für ca 350 Rupees (6 Euro) auswählen. (Das System funktioniert so: Man stellt einen Antrag für nutrition, houshold oder education support und bekommt dann maximal zwei Anträge alle drei Monate genemigt.)
Für uns war es wieder einmal sehr interessant zu sehen, in welchen Formen NMCT hilft (es in der Theorie zu erfahren ist eine Sache, aber daneben zu stehen wenn Frauen lebensnotwendige Dinge auswählen, die NMCT finanziert.. das ist schon beeindruckend!).
Weiter ging es dann zu einer anderen Familie, bei der NMCT das Einkommen durch ein gesponsortes Bügeleisen (-wirklich „Eisen“ – 5 ½ Kilo schwer) gesichert hatte. Auch hier waren wir sehr beeindruckt, denn durch Arbeitsteilung wurde das Bügeleisen fast den gesamten Tag bewegt (Acht Stunden, davon Mutter, Vater, Großmutter und Großvater jeweils zwei..). Man kann sich das ja schon bei mit einem elektrischen Bügeleisen kaum vorstellen, aber ein fast sechs Kilo schweres Eisen zu bewegen ist unglaublich anstrengend – wir wissen es mittlerweile, es auszuprobieren reichte uns aber erstmal ;-) . Trotzdem wirkte die Familie zufrieden und gluecklich ueber diese Unterstuetzung und alle waren freundlich und offen.

Am nächsten Tag standen wieder Hausbesuche auf der Tagesordnung. Am Vormittag trafen wir eine Frau, die den ganzen Tag Blumenketten bindet (was zwar nicht so anstrengend ist, wie dieses Bügeleisen zu bewegen – aber den ganzen Tag NUR Blumenketten...), dann ging es über einen Zwischenstopp bei einem Sponsor von NMCT zu einer Familie zwei unserer Kinder.
Bei diesem ersten Hausbesuch tauchten wir in den Alltag einer alleinerziehenden HIV-infizierten Frau, die ohne Unterstützung der Eltern und Schwiegereltern versucht, das Leben zu meistern und die Erziehung ihrer Kinder zu sichern, ein:
Wir saßen auf ihrem Bett und sahen ihr dabei zu, wie sie Blumenketten band. Einige Male kam ein „Kurier“, der neue Blumen zu ihr und die fertigen Blumenketten zum nahegelegenen Blumenmarkt brachte - sonst gab es kaum eine Abwechslung. Erstaunt stellten wir ein paar Fragen und mussten bei dem Gedanken an ein ganzes Leben in diesem kleinen Zimmer schlucken, doch auch hier sahen wir wieder das strahlende Gesicht der Frau, ihre Zuversicht und die Erzählungen von einer Zukunft, in der ihre Kinder ein Einkommen haben und für die Familie bessere Zeiten anbrechen würden...
Eine Hoffnung und Zufriedenheit, die wir schon öfter erleben durften.
Anschliessend begleiteten wir eine Mitarbeiterin zu einem Wohnhaus von zwei unserer Maedchen. Schon der Fussweg dorthin war ernuechternd und es war bedrueckend, durch solch eine aermliche Gegend zu laufen. Die Menschen waren ueberrascht, Weisse zu sehen und so brauchten wir etwas laenger zu dem kleinen, absolut kleinen Haus, welches nur aus zwei Zimmern bestand. In einem erwartete uns die Mutter an der ratternden Naehmaschine. Etwas beklommen liessen wir es zu, dass man uns einen Stuhl holte und Tee brachte - ein Teil der Sonderbehandlung, an die wir uns nicht so recht gewoehnen moechten. Schliesslich sassen wir jedoch stundenlang in diesem kleinen Zimmer, unterhielten uns ueber die Maedchen, das Naehen, die Familie und die Unterschiede zwischen Indien und Deutschland. Es war ein schoener Besuch, wir lachten viel und es war toll mehr ueber die Herkunft der Maedchen zu erfahren. Von solchen Besuchen werden wir hoffentlich noch mehr waehrend der half-yearly-holidays erleben – wenn wir die Kinder und ihre Familien zu Hause besuchen, um Informationen fuer eine case study zu sammeln.
Zunaechst wollen wir euch aber von unserem ersten – vollkommen selbststaendig geplanten (!!) Trip nach Pondicherry zu Anna und Claudi berichten ... im naechsten Blogeintrag ;-).

Bis dahin geniessen wir die tropische Sonne – und sehnen uns gleichzeitig zurueck ins eingeschneite, weihnachtliche Deutschland...