Freitag, 8. Oktober 2010

… Die Südspitze, (viel) Arbeit, TG’s und der Monsoon

Lange ist’s her seit unserem letzten Eintrag (zehn Tage) und wir verzweifeln völlig beim Schreiben, weil wir euch so viel zu erzählen haben:

Am 28.09.10 machten wir uns auf den Weg nach Kanyakumari, der Südspitze Indiens, wo sich drei Meere treffen und es wunderschöne Sonnenauf- und untergänge geben soll (von denen wir leider nichts gesehen haben – es war ein wenig wolkig ;))
Wir reisten in einem superkomfortablen Schlafbus, in dem wir so viel Platz hatten, dass es sich schlafen ließ wie im eigenen Bett! Und abgesehen vom eiskalten Durchzug, gelegentlichen Bodenwellen und Megaschlaglöchern schliefen wir auch die gesamte Zeit(von 9 Uhr abends bis 7 Uhr morgens).
Die salzige, schwere Meeresluft signalisierte uns schließlich, dass wir in Kanyakumari angekommen waren. Und sogleich standen wir vor der Herausforderng, den Konvent zu finden, in dem wir untergebracht waren (denn Hotels sind zu teuer). Nach längerem hin und her waren wir erfolgreich, luden unser Gepäck ab und stürtzten uns, mit einem Stadtplan bewaffnet, in das wuselige Treiben des Touristenortes Kanyakumari. Da war zunächst der große Bazaar, in dem man zahllose Muschlen, Taschen, Schmuck, Holzarbeiten und –wie immer- Ramsch erstehen konnte. Dieser lag auf dem Weg zu unserem eigentlichen Ziel: Dem Kai für die Fähren, die minütlich zu einem Felsen im Meer fahren, auf dem sich der Vivekanda Tempel und die Thiruvalluvar Statue (die ‘Freiheitsstatue’ Indiens) befinden. Mit stoischer, typsich indischer Geduld stellten wir uns an der eeeeeewig langen Schlange für die Überfahrt an, hatten aber dummerweise vergssen, Sonnencreme aufzutragen und sahen dann später aus wie gekochte Krebse.

Nach unserer Rückkehr wollten wir endlich auf das ‘Ende von Indien’ zulaufen. Während wir dann am Strand neben Indern saßen, die angezogen und wie Kinder im Wasser planschten, wurde uns bewusst, dass hinter dem gräulichen Horizont erstmal lange nichts und schließlich nur noch die Antarktis kommen würde.Lange saßen wir dort, strolchten dann durch kleine Gassen – wobei wir unzählige Händler abwimmeln mussten – und warteten auf den Sonnenuntergang. Leider war es zu wolkig und wir hatten keine Chance. Auch am nächsten Tag, als wir um 5.30 Uhr morgens wie alle Touristen auf Dächern oder Terrassen standen, hatten wir kein Glück.
Später besuchten wir eine NGO und führten erstaunlich offene Gespräche über die Schwierigkeiten und Stolperfallen, die sich einer rechtschaffenden NGO in den Weg stellen, über die indische Regierung und Verwaltung und den menschlichen Hang zur Korruption.
Auf der Rückfahrt zeigte uns ein freundlicher Mitarbeiter traumhafte Strände – und Zeugnisse des Tsunamis von 2oo6, der auch in Indien gewütet hatte.
Da waren die zahllosen Wracks, die wie vertrocknete Skelette am Strand lagen, die Häuserhälften, deren abgebrochene Balken anklagend auf das Meer zeigten und die Brücke, die es einfach in vier Stücke zerrissen hatte, von denen zwei ein paar hundert Meter enfernt lagen und zwei unauffindbar waren, weggerissen von der Welle.
Als wir mit offenen Mündern davor standen, merkten wir was es heißt, die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, obwohl man sie zuvor schon im Fernseher gesehen hat und eigentlich wissen müsste, was einen erwartet…Am Abend desselbigen Tages fuhren wir zurück nach Coimbatore – im Nachtzug. Auf den ersten Blick erschien uns dieser ziemlich unkomfortabel und schmutzig, dennoch schliefen wir bequem auf den obersten Liegen (…‘so viele Inder wie möglich transportieren’ ist das Motto) neben ratternden, verstaubten Ventilatoren bis zur Ankunft in Coimbatore.
Dort stellte sich unser pseudo-Alltag schnell wieder ein:
Der Verkehr (Katja wurde einmal beim Straße überqueren fast von zwei Motorrädern und einem Auto überfahren! -und Charlotte fast zwischen zwei Bussen zerquetscht! – aufregend wie immer ;),
die Einkäufe (entweder westlich orientierter Supermarkt, oder enge Gassen mit kleinen Läden, vollgestopft bis obenhin, die alles haben, was das Herz begehrt – man muss nur gut genug gucken und oft genug nachfragen),
unsere Aufgaben und Projekte (hierzu haben wir mal unseren Plan für Oktober für euch abfotografiert ;).-die einen Projekte und Ausflüge sind eher ungeplant und spontan, wie die Fahrt zu einem Eingeborenendorf, die uns Seetha eines Abends anbot:
“Someone’s died suddenly and we have to check why. It’ll take two hours. You want to join us?”
- Yes, why not? Keiner von uns beiden ahnte, dass sich Minuten später ein apokalyptisches Gewitter, begleitet von einem sinntflutartigen Wolkenbruch über unserem Jeep zusammenbrauen würde. Mit kläglicher Geschwindigkeit schlichen wir über die Straßen, welche eher Flüssen glichen und mussten anhalten, wenn uns der Regen wiedereinmal jede Sicht nahm. Da wir auf der Fahrt zweimal einen Fluss durchqueren mussten, waren alle voller Sorge. Aber wir hatten Glück: beide Flüsse lagen jenseits der ‘Regengrenze’. Dies lässt sich in etwa so beschreiben: Man fährt, der Regen trommelt auf das Dach, Aquaplanning. Plötzlich ist es Still, nur noch nackter Donner, die Straße ist trocken… – gut für uns!
Wir durchfuhren den Fluss, machten Halt auf einer kleinen Farm inmitten von Kokospalmen und Elektrozäunen (nicht wegen den Kühen, sondern den Elefanten! Die kommen immer mal wieder vorbei, auf der Suche nach Wasser), bis wir von einem aufgewühlten Mann angewiesen wurden, sofort wieder zurückzufahren (außer wir wollten in der Wildnis festsitzen).
Sekunden später kam ein weiterer Gewittersturm auf. Wir fuhren nicht mehr ganz so kläglich langsam und durch den schon etwas angeschwollenen Fluss. Bald sammelte sich das Wasser in solchen Mengen auf der Straße, dass wir beim fahren Fontänen erzeugten, die so groß waren, dass sie über unserem Jeep wieder zusammenschlugen.
Dank Sankars Fahrkünsten kamen wir jedoch wieder wohlbehalten in Coimbatore an, wo es schon wieder trocknete und Strom gab.
Andere Ausflüge sind nicht ganz so spontan und eher geplant, so wie unser erster Projektbesuch zum TAI (Tamil Nadu AIDS Initiative) – Projekt für männliche Prosittuierte und Transsexuelle (TransGenders). Zunächst waren wir bei Gayathri eingeladen. In ihrem Haus erwartete sie uns schon mit Keksen, Tee und ihren beiden ‘Töchtern’(von denen wir uns leider nicht die Namen merken konnten). Wir redeten, tauschen uns über Schauspieler aus, Lieblingsessen, Lieblingstier, uvm. Bald fingen sie an, uns von ihrem Leben als Transsexuelle zu erzählen und aus ihren Fragen und Reaktionen, als wir ihnen von den Transsexuellen in Deutschland erzählten, konnten wir schließen, dass es für sie in der indischen Gesellschaft sehr schwer sein musste, obwohl Gayathri sogar ‘verheiratet’ ist, einen Ehemann und dreizehn ‘Töchter’ hat.Bald sangen wir uns gegenseitig vor (wir: ‘Probiers mal mit Gemütlichkeit’ ;) und tanzten. Gayathri ist professionnelle Tänzerin, arbeitet aber regulär als Sekretärin.Wir aßen noch zu Mittag, gingen aber anschließend zurück zum Projekt office, wo uns Muthukumar – der Project Coordinator – einen Vortrag über das Projekt hielt. Wir erfuhren, dass es hauptsächlich darum geht HIV mit Sensibilisierung und dem Verteilen von Kondomen und Gleitgel vorzubeugen und die Lebensqualität der male sex workers zu verbessern. Leider mussten wir gehen, weil wir noch die Kinder unterrichteten, aber das Projekt interessierte uns sehr, dass wir beschlossen, wiederzukommen =)
- Thanks to Gayathri for your hospitability, thanks to Selvakumar for the traducing and thank you very much, Muthukumar for the talk on the TAI-Projekt. Your English is very good and we appreciate it.
Da die Kinder leider nicht so gut in Englisch sind, beschlossen wir, ihnen so viel wie möglich spielerisch beizubringen und oft zu wiederholen, sodass sie sich das Gelernte behalten können. Gestern mussten die Älteren zum Thema ‘sentence structure’ Satzteile zusammensetzen und die Jüngeren zum Thema ‘About myself’ ihren Steckbrief malen. Wir wurden schon vorgewarnt, dass sie alle von einander abmalen und tatsächlich hatten wir am Ende fast identische Steckbriefe =D.
Danach begannen wir damit, die stage performance der Kinder für Deepavali einzustudieren. Deepavali ist für die Inder wie für uns Weihnachten und am 30.10 werden unsere Kinder dann vor min. 5oo Menschen auftreten – wir sind alle schon ganz aufgeregt!
Zuallerletzt wollen wir noch das staff meeting erwähnen, bei dem wir endlich (fast) alle Mitarbeiter von NMCT kennenlernten und sechs Stunden Präsentationen und Diskussionen (80% Tamil, 20% English) mehr oder weniger aufmerksam verfolgten.

Im Moment hat Katja leider eine leichte Grippe, deswegen machen wir heute und die nächsten Tage etwas langsamer und wünschen uns Gesundheit, mehr Sonne (blöder Monsoon) und Erfolg beim Einstudieren der stage performance=).

Viele liebe Grüße nach Zuhause, und hier rennt uns die Zeit davon (wahrscheinlich weil wir näher am Äquator sind, da dreht sich die Erde ja bekanntlich schneller ;) …bald seht ihr uns wieder.
Katja und Charlotte

2 Kommentare:

  1. Wieder ein wunderschöner Bericht von euch - bald könnt ihr ein Buch über eure Erlebnisse schreiben!
    Gute Besserung, liebe Katja und alles Gute für euch.
    Respekt vor eurem Zeitplan - langweilig wird es sicher nicht, oder :)
    Liebe Grüße, Mama/Birgit

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  2. Hallo ihr beiden, welche Pillen soll ich euch denn mitbringen? Vielleicht muss auch einfach Seetha was von euren Aufgaben streichen!
    Ich freu mich immer euren Blog zu lesen und natürlcih darauf, euch zusehen!

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