Montag, 20. Dezember 2010

Kurzurlaub mit heimischen Gefühlen

Nachdem ihr nun auf den letzten Blogeintrag ziemlich lange warten musstet, folgt der nächste dafür direkt auf dem Fuße... - diesmal geht es aber „einfach nur“ um unseren Kurztrip nach Pondicherry, Mamallapuram und Chennai.

Unsere erste komplett selbstgeplante Reise begannen wir mit ein paar Dosas und ziemlich viel Aufregung. So standen wir, die Bustickets in der Hand und inklusive Gepäck, am Ausgang des Abhaya und schlangen hastig die Dosas hinunter, die einige Kinder und Viji (die Erzieherin) in Hektik für uns gemacht hatten, und... warteten auf den Taxifahrer. Der nicht kam.
Da standen wir also, wussten nicht weiter und konnten kaum mehr tun, als abwarten und Tee trinken (im warsten Sinne des Wortes). Tatendurstig wie wir waren, telefonierten wir trotzdem ein wenig herum – irgendjemand musste ja wissen, warum niemand kam.
Eine halbe Stunde und ein paar verlorene Nerven später holte uns der Taxifahrer dann doch noch ab – kommentarlos.
Gottseidank hatten wir reichlich Zeit eingeplant und kamen dann schlussendlich pünktlich beim Busbahnhof an, wo ein wunderbar bequemer ‚Non A/C Semi – Sleeper’ Bus auf uns wartete (warum alle immer so verrückt nach Klimaanlage sind, ist uns schleierhaft - wir genießen die Wärme weiterhin ;-)).
(Schlafenderweise) Schlafend ging es dann in Richtung Pondicherry, wo wir am frühen Morgen ankamen und sogleich Bekanntschaft mit dem Wahnsinn der Pondi-Rikshafahrer machen durften: um zum Apartment unserer beider Mitvolunteers Claudi und Anna zu gelangen, fuhr er – um abzukürzen – die Hauptverkehrsstraße (eine Einbahnstraße) einfach mal verkehrtherum, was uns beim Anblick entgegenkommender Busse nicht ganz so recht war (Zitat Katja: „Do you want to kill us?!?“). Sämtlichen 3,6 Mio. Indischen Göttern sei dank kamen wir ein wenig müde dreinblickend, um halb acht Uhr morgens vor Annas und Claudis Tür an. Die folgenden Tage in Pondicherry waren jedoch großartig und eine tolle Erholung:

Tag Nr. 1 begann für uns mit einem Frühstück gegen halb elf (- was eine absolut seltene Rarität für uns darstellte!) und langen Gesprächen. Am frühen Nachmittag bekamen wir schließlich dem ersten Einblick in das Leben einer (wie die Inder wohl sagen würden) 50/50 Stadt (der Name stammt von den allerseits geschätzten 50/50 biscuits... die hier andauernd für irgendwelche Vergleiche herbeigezogen werden).
Pondicherry ist eine ehemalige französische Kolonie und macht das auch allen deutlich: die eine Hälfte ist 100% indisch, die andere Hälfte so französisch wie es in Indien nur geht und beide sind getrennt durch einen Kanal.
Ungläubig spazierten wir von Indien nach Frankreich und wieder zurück, liefen durch vollgestopfte Gassen, die von kleinen Läden gesäumt wurden und schlenderten durch bezaubernde Alleen; mit Löchern gespickte Teerstraßen wichen Kopfsteinpflaster und Bürgersteig...
- Es war unglaublich.
(->hier ist der Beweis: links - das franzoesische Viertel, rechts - das indische Viertel)

Plötzlich befanden wir uns in einem kleinen Europa, aßen gute Holzofenpizza und Salat, bestaunten alte Steinhäuser und fanden uns in mitten von hellhäutigen Menschen wieder („Hier sind ja lauter Weiße...!“). Und all das, wo doch fünfhundert Meter weiter, direkt hinterm Kanal das indische Leben in seiner bunten Vielfalt weiterging.
Den Tag verbummelten wir in verschiedenen niedlichen Geschäftchen, guten Restaurants und am Strand. Besonders in Erinnerung blieb uns auch die völlig versteckte Eisdiele, bei der man für Deutsche ungefährliches (klingt komisch, aber Eis zu essen kann tatsächlich ganz schön fies werden) Eis in allen Varianten bekommen konnte – herrlich.

Am nächsten Morgen (Tag 2) versuchten wir einigermaßen früh aus dem Bett zu kommen und waren dann auch ‚schon’ um halb elf in einem kleinen französischen Frühstückslokal in dem wir uns mit (Achtung...:) Omelette, Obstsalat, warmem Kakao, Baguette mit Butter und Marmelade und (unglaublich aber wahr) frischen Croissants die Bäuche vollschlugen – es war wundervoll, schlaraffenlandartig und absolut unindisch (denn es gab Süßes zum Frühstück). Auch diesen Tag verbrachten wir größtenteils mit Schaufensterbummeln unterbrochen von gemütlichen ‚Essenseinheiten’, die wir gelegentlich hier und da einbauten (wenn man schonmal die Chance hat europäisch zu essen...).
Für euch zuhause mag das vielleicht etwas merkwürdig klingen, aber probiert einfach mal aus, dreieinhalb Monate gar kein Brot zu essen - und kauft euch dann ein frisches Baguette.. ihr werdet verstehen, wovon wir reden. ;-)

Rückblickend haben wir uns wahnsinnig über die beiden Tage mit Claudi und Anna gefreut und es sehr genossen, ein bisschen ‚zuhause’ zu denken. Pondicherry ist wunderschön und eine kleine Schatzinsel für Europäer, die sich in Indien ein wenig nach der Heimat sehnen! (An dieser Stelle ein dickes Dankeschön an Claudi und Anna, ihr wart wunderbare Gastgeber und die Zeit war absolut großartig!)=) Fuer alle, die sich mehr fuer deren Projekt und Pondicherry interessieren: www.kks-real-10.blogspot.com )

Der dritte Tag begann – im absoluten Kontrast zu den vorangegangenen Tagen – um 6 Uhr morgens, da wir sehr früh den Bus nach Mamallapuram nehmen wollten, ein Ort der laut Lonely Planet ein Mischmasch aus Fischerdorf, Touristenghetto und Unseco-Weltkulturerbestätte sein soll.
Dies klang für uns ziemlich interessant und so wappneten wir uns mit Baguette, Eierweck, Croissant und Schokopralinen, um auf der unbequemen Fahrt im öffentlichen Bus (wieder ohne Klimaanlage, und mit den schmalsten Sitzen der Welt) zumindest nicht zu verhungern...
Zum Glück war die Landschaft so absolut exotisch und wunderschön, dass sie uns von sämtlichen Unbequemlichkeiten abzulenken vermochte: die allgegenwärtigen Palmen wechselten sich ab mit unbekannten Bäumen, Schlingpflanzen – und sogar Kakteen! Zwischendurch breiteten sich unter unseren Augen uferlose Lagunen aus, Flüsse, die durch den Monsoon über ihre Ufer getreten waren. Überhaupt waren die Auswirkungen des Monsoons überall sichtbar: Fundamente versanken im Wasser und ganze Dörfer waren nur noch über schmale Landstreifen zu erreichen. Trotzdem schienen die dort lebenden Menschen ihr Alltag wie gewohnt weiter zu führen.
Manchmal blitzte hinter Palmwäldern der indische Ozean auf und versetzte uns in Urlaubsstimmung, genau wie die salzige Brise, die ab und zu in den stickigen Bus wehte, desto näher wir Mamallapuram kamen. Dort angekommen ließ uns der Busfahrer unerwartet am Rande der staubigen Überlandsstraße aussteigen und da standen wir nun: zwei weiße Mädchen in einem fremden Land, auf einem fremden Kontinent, alleine, ohne Plan wo sie gerade genau sind, eine Situation, die in der letzten Zeit so häufig aufgetreten war, dass wir uns daran gewöhnen mussten. Ohne große Aufregung nahmen wir uns also eine Riksha in den Ortskern und übten uns im Kartenlesen (was nicht immer so gut klappt^^). Mamallapuram war das reinste Paradies: Hippieshops wechselten sich ab mit unendlich alten Tempeln, majestätischen Felsenlandschaften und schönen, leeren Stränden. Die Luft war erfüllt von dem Geklopfe der Steinmetze und den „Wanna see my shop?“-Rufen der Ladenbesitzer. Nachdem wir uns mit einigen deutschen Travellern unterhalten hatten, wählten wir uns eine einfache Budgetunterkunft und bezogen ein kleines Dachzimmer mit Mangobaum vorm Fenster.
Unsere erste Station war – natürlich – der Strand!
Minutenlang standen wir zwischen den bunten Holzbooten der Fischer, starrten auf die Wellen und versuchten zu begreifen, dass eigentlich gerade Dezember ist.
- was uns nicht wirklich gelang. Nachdem Katja eine Weile mit zwei winzig-wuseligen Hunden gespielt und Charlotte’s Klamotten vom Baden komplett durchnässt waren, machten wir uns auf den Weg zum „Shoretempel“, einer Unesco- Weltkulturerbestätte die man – im wahrsten Sinne des Wortes – hautnah erleben konnte.
Der kleine, aus einem roten Sandsteinfelsen gemeißelte Tempel erhob sich zwischen penibel gemähten Grasflächen und war deutlich von Zeit und Meer gezeichnet, sodass seine Flächen, die Figuren und Ornamente fast völlig glattgeschliffen waren. Im Gegensatz zu vielen bewegten wir uns ehrfurchtsvoll durch die engen Tempelgassen, bemüht nichts zu berühren, damit dieses Bauwerk doch noch etwas länger erhalten bliebe.
Nach einer Weile machten wir uns auf, um auch den anderen Sehenswürdigkeiten Mamallapurams einen Besuch abzustatten. Wir begegneten Steinelefanten, einem „Butter Ball“ (Mega-Steinkugel), noch mehr wundervollen Tempeln, rüpelhaften Touristen und niedlichen Äffchen... und widmeten uns am Abend gemütlichem Shopping und einer Pizza mit viiiiiel Käse. Sehr müde fielen wir darauf in unsere Betten, nur um am nächsten Morgen wieder sehr früh (wer hätt’s gedacht) aufzustehen, da wir noch vor der Mittagszeit in Chennai sein wollten.

(Zur Busreise nach Chennai ist nur zu sagen, dass wir das erste Mal ein uns nicht ganz geheueres Buserlebnis hatten, bei dem es (während der Fahrt!!) von außen an unser Fenster klopfte und ein junger Mann uns bat, dass wir unser Fenster aufmachten und er sich an unseren Sitzen festhalten dürfe (!)...- nochmal: von AUßEN!)

Chennai war dann.. laut, voll, regnerisch, westlich und irgendwie ein Tag den wir nicht mit Sehenswürdigkeiten verbringen wollten (erster Satz im Lonely Planet: „Auch die größten Meister im positiven Denken werden Probleme haben, in Chennai etwaszu finden, das wirklich zum Schwärmen Anlass gibt.“ – ähm ja..).
So schlimm war es dann aber auf keinen Fall, eigentlich gefiel uns die Stadt sogar ganz gut.. wir haben nur nicht viel von ihr gesehen.
Chennai begann für uns mit einem rieeesigen Busbahnhof und einer ‚Fehlentscheidung’ die mit Frostbeulen und einem Loch im Portemonnaie endete: der erste Bus, der in die richtige Richtung zu fahren schien sah nämlich ... „normal“aus (also „deutsch-normal“, denn „normal“ heißt für uns „deutsch“).Also. Und das alleine ist in Indien schonmal merkwürdig. In diesem Moment dachten wir aber nicht weiter über gepolsterte Sitze oder Fenster, die sich nicht öffnen ließen nach und stiegen ein.
Bewusst wurde uns der Fauxpas, als wir plötzlich das Gefühl bekamen in einem Kühlschrank zu sitzen und der Conductor dann auch noch den fast fünffachen Ticketpreis verlangte. Trotzdem auch hier wieder: wir sammeln eine Menge Erfahrungen.. und die eben in alle Richtungen.

Den Tag verbrachten wir dann in einem spanischen Tapasrestaurant in dem es wunderbares Essen, Servietten und Besteck gab (und Katja die einzige indisch gekleidete Person war), fuhren in ein paar Rikshas für ein bisschen pure indische Kultur zwischendurch und:
besuchten drei Shoppingmalls, die uns wirklich den Atem raubten.
Die Welt aus der wir kamen (also das Abhaya, Kanuvai, etc.) erschien uns plötzlich ganz fremd und unwirklich und wir schienen auf einmal nicht mehr „weiß“ zu sein. Alle Menschen verhielten sich wie wir, liefen fröhlich plaudernd von Shop zu Shop, saßen bei PizzaHut oder KFC, es war geputzt, ordentlich, strukturiert... eine Miniwelt in einer Welt und wir mittendrin.
In den ersten Minuten standen wir einfach nur da, trauten unseren Augen kaum und konnten uns nicht entscheiden, ob das jetzt Indiens Zukunft oder doch nur eine Idee, die Oberschicht und Unterschicht noch deutlicher trennen würde, war.
Als der erste Schock überwunden war (ja, der Kulturschock ist andersrum viel schlimmer... plötzlich in einem kleinen Deutschland in Indien zu stehen ist absolut merkwürdig!) konnten wir die Zeit dann aber doch noch genießen, taten es den anderen gleich und hatten am Ende des Tages ein paar nette Sachen erstanden.

Nun sind wir wieder ein paar Tage zuhause, haben uns erneut eingelebt und alles läuft glatt, trotzdem hängen uns diese widersprüchlichen Bilder der kulturschweren Stätten und dann dieser glitzernden Malls, schmutzigen Straßen und sauberen Alleen nach und es fällt schwer, klare Gedanken zu fassen. Auf jeden Fall wurde unsere Vorfreude auf die große Reise mitte Februar geweckt und wir können es kaum abwarten noch viel mehr von diesem unglaublichen Land zu entdecken.

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