Samstag, 25. September 2010

Ungewoehnliche Alltaeglichkeiten

Namaste! Ganz allmählich sind wir im Abhaya Students Shelter angekommen, haben uns eingerichtet, orientiert und ein Hauch von Alltag hat sich eingestellt.
Alltag in Form von Stromausfällen, Wassermangel, Moskitostichen, verspäteten Bussen, Meetings und natürlich der Zeit mit den Kindern: mal spielen und tanzen wir ausgelassen, mal versuchen wir ihnen – mehr schlecht als recht – beim Lernen für die Quaterly Exams zu helfen. Letzteres hat diese Woche entschieden dominiert: Jeden Tag wurde ein anderes Fach abgefragt und das an nahezu allen sieben Tagen!
Leider war das einzige Fach, in dem wir wirklich helfen konnten Englisch (Hat schonmal jemand versucht Mathematik auf Tamil zu verstehen?!). So hatten wir also viel Zeit, selbständig einige Erkundungsgänge in die indische Kultur zu unternehmen… wie beispielsweise den Besuch einer Brick-Fabrik: Rund um Coimbatore stehen zwischen den malerischen Bergen auf wild bewachsenen Feldern dutzende einfache, länglich gebaute Hütten mit verrußten Fabrikschornsteinen. Hier werden täglich (außer an Regentagen – dann verflüssigt sich das Arbeitsmaterial ;-)) ein paar tausend Mauersteine aus der roten Erde gefertigt. Schon aus dem Bus heraus war dies ein beeindruckender und zugleich ernüchternder Anblick.. Aus der Nähe betrachtet wirkte es trostlos: Keine maschinelle Fabrikarbeit wie in Deutschland, alles wurde durch die Hände der Arbeiter gefertigt und auf den Köpfen von Frauen transportiert. Tonnen von Steinen jeden Tag!.
Gemeinsam mit Sanka und Seetha entflohen wir diesem Beispiel eines monotonen Alltags und besuchten ein paar wichtige Familien im Umkreis des Abhayas, die uns ausgiebig bewirteten und uns all’ ihre Hochzeitsfotos bücherweise vorstellten.
Am gleichen Tag bekamen wir dann den Auftrag, den Internetauftritt von NMCT zu optimieren (nochmal schnell das “vorher” ansehen: nmctngo.org). Die folgenden Tage verbrachten wir also unter anderem damit, die Website auseinander zu nehmen, um sie anders (hoffentlich besser^^) wieder zusammenzusetzen.
Dann kam der Samstag und damit unser Tagestrip nach Madurai.
Madurai ist ein wichtiger touristischer Ort in Tamil Nadu (was wir unter anderem daran merkten, dass wir nicht überall seltsam angeschaut wurden – allerdings wurde uns dafür allerhand Ramsch angeboten). Die Hauptziele der Touristen sind der Sri Meenakshi Tempel und das Gandhi Memorial Museum.
Das alles hatte für uns jedoch noch eher wenig Bedeutung, als wir um 3.30 Uhr morgens vom Wecker zum Aufstehen gezwungen(!!!) wurden. Die anschließende, ruckelige Taxifahrt und einen Teil der sechsstündigen Busfahrt nahmen wir nur durch einen Schleier der Müdigkeit wahr. Bald schon siegte dennoch die Neugier, bei all dem Unglaublichen, Fremden, Widersprüchlichen was es auf der anderen Seite des Busfensters zu sehen gab. Mehrmals versuchten wir, die zahlreichen lebensmüden Manöver unseres Busfahrers festzuhalten – oder knipsten einfach nur wild drauf los. Das Rumgeknipse änderte sich auch dann nicht, als wir unsere erste Fahrt mit der Autoriksha (:-D) antraten (welche wir mit aufgeregten Jubelschreien begrüßten). Es ist ein echtes Erlebnis, bei dem man Indiens chaotischen Straßenverkehr – wirklich - hautnah mitbekommt (Zitat Katja:” Ich hab eben ein fahrendes Auto angefasst!”). Fassungslos, kichernd, ängstlich, kreischend, ständig den Finger auf dem Auslöser, gaben wir das 100%-ige Klischeebild eines Pauschaltouristen ab – war aber unserer Meinung nach in dieser Situation auch mal ok…
Da Sanka und Selva ein NGO-Meeting besuchten, waren wir nach der abenteuerlichen Rishakfahrt auf uns alleine gestellt.und beschlossen das Gandhi Memorial Museum zu besuchen. Auf bunten Tafeln lasen wir eine Menge über den britischen Imperialismus (der oftmals durch den Kakao gezogen wurde) und den Kampf um Indiens Unabhängigkeit. Zusätzlich gab es eine Vielzahl an Relikten aus Gandhis Leben zu sehen: Tücher, Löffel, Schuhe, seine Brille, seine Lektüren – zu denen unter anderem auch Goethes Faust gehört. Der unbestrittene Höhepunkt der Exponate war jedoch der blutbefleckte Dothi, den Gandhi am Tag des tödlichen Attentates trug – alles etwas skurril und doch irgendwie faszinierend.
Ein wenig später verließen wir das Museum, um mit der wartenden Riksha gleich weiter zum Sri Meenakshi Tempel zu fahren. Groß und bunt, mit weitläufigen, majestätischen Hallen präsentierte sich uns die Anlage.Die (Markt-) Hallen wurden durch ein einziges, glitzerndes Durcheinander bestimmt. Man konnte alles bekommen, was das Herz begehrt: Glücks-Ganeshas, Bangles, Kaschmirschals, Geldbeutel, Zehenringe, Ohrringe, Windräder, Aufkleber, Spielfiguren, etc. etc…
Wir feilschten, zögerten, gestikulierten, lachten - und gaben dann doch unser Geld aus ;-).
Schließlich stießen wir auf das Herz des Tempel und den Elefanten, der in großen Tempeln immer vor dem Eingang postiert ist. Er segnet die Pilgernden, indem er ihnen den Rüssel auf den Kopf legt. (Für 10 Rupies kann man das Ganze sogar fotografieren.) Wir reihten uns also bei den Wartenden ein und wurden gesegnet – eine wirklich schöne Erfahrung.
Danach ließen wir uns noch durch die Tempel und Hallen treiben, bis unser Magen knurrte. Spontan entschieden wir uns für ein kleines ‘Lokal’, bekamen kalten, öligen Lemon Rice und hofften danach nur noch, dass unser Magen dem ganzen standhalten würde (Hat übrigens funktioniert ;-)). Der anschließende Weg zum Treffpunkt, an dem uns Sanka und Selva wieder abholen wollten (ein Hotel, knapp 1 km zu Fuß vom Tempel entfernt), gestaltete sich schwieriger, als erwartet: Dauernd wurden wir in verschiedene Richtungen geschickt (nein, manchmal hilft es nicht, viele Leute zu fragen…) und mussten durch den mörderischen Straßenverkehr, bevor wir nach anderthalb Stunden anstrengenden Fußmarsches bei strahlendem Sonnenschein und sengender Hitze schließlich am Hotel ankamen… wo Sanka und Selva auch schon auf uns warteten.
Danach wollten nur noch eins: zurück nach Coimbatore. Auch die erneuten sechs Stunden Busfahrt konnten uns da nicht mehr schrecken (Erschreckt hat sich an diesem Tag eh nur Charlotte - und zwar vor einem fritierten Ei…und den öffentlichen Toiletten, Katja! :-P – vor denen hab ich mich aber auch erschreckt^^)
Erschöpft fielen wir an diesem Abend in unsere Betten, um uns in den darauf folgenden Tagen wieder dem “Alltag” hinzugeben.Da war der Geburtstag eines unserer Mädchen: an jedem Geburtstag wird eine wunderbar künstlich schmeckende Torte gekauft (Geschmackssache! ), die dann in winzige Stückchen geteilt und vom Geburtstagskind an die Gäste verfüttert wird.
Und das – hoffentlich - vorerst letzte Zusammentreffen mit der sehr papierlastigen, indischen Polizei (und wir dürfen bleiben :-D), die auch das Ende der Windowperiod markierte. Einen kleinen Schrecken jagte uns jedoch der damit verbundene, neue Arbeitsplan ein: Englischunterricht, Field Visits, Skill Training, NMCT-website – kurz: es wird uns definitiv nicht langweilig werden ;). Der am Vortag besprochene Plan musste dann noch mal in einem zweieinhalbstündigen Meeting mit unseren “Chefs” besprochen werden. Da die indische Gesrpächsstruktur in keinster Weise der deutschen ähnelt, wünschten wir uns nach stundenlangem, konzentrierten Zuhören erstmal Urlaub!

..der auch kommen wird (nein, nein - eigentlich ist es ein Lehrausflug, denn wir schauen auch eine NGO an!).
Wir fahren nämlich nächste Woche für zwei Tage an Indiens südlichsten Punkt – Kanjakumari. Dort sehen wir gleich drei Meere auf einmal – wir freuen uns drauf!
Bis dahin sind wir ausreichend mit Computerarbeiten beschäftigt (der erste Monthly Report steht an – so schnell geht das! =))

Somit verabschieden wir uns für dieses Mal und schicken ganz liebe Grüße an Zuhause :-)

1 Kommentar:

  1. Suuuper! Ihr seid fleißig, aber habt es auch supergut, weil Seetha euch auch mitnimmt zu den schönsten Punkten Indiens. Da ich auch schon da war, kamen mir eure lebendigen Besuche wie ein deja vu vor.
    bis bald!

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